Jürg Bollinger, 3. Oktober 2025
Meine damalige Verlobte und ich waren 1976 beim Konzert von Patti Smith in der Roten Fabrik. Ich studierte an der Uni Zürich Sekundarlehrer und schrieb nebenbei für die «Schaffhauser Nachrichten» Plattenbesprechungen. Wenn es die Plattenfirma organisierte, durfte ich auch Interviews mit Künstler*innen führen.
Das Album «Horses» hatte ich natürlich schon – wer Arista damals in der Schweiz vertrieb, weiss ich nicht mehr genau, vielleicht der Musikvertrieb an der Badenerstrasse. Jedenfalls wurde mir ein kurzer Interviewtermin mit Patti Smith vermittelt – direkt vor ihrem Auftritt, in ihrer Garderobe. Etwas, das Künstler*innen sonst eher vermeiden. Sie war (völlig zu Recht) nicht besonders interessiert an einem Gespräch mit einem Journalisten wie mir. Während der zehn Minuten machte sie Yoga- oder Stretchingübungen – typisch Patti. Ich hatte mein Kassettengerät sonst immer dabei, aber an diesem Tag leider nicht. Und geschrieben habe ich dann auch nichts. Immerhin: Patti hat mir zum Schluss mein Horses-Exemplar signiert.
Wie ich vom Konzert erfahren habe? Vermutlich über Good News oder direkt über die Plattenfirma. Die Plakate von Good News hingen in vielen Plattenläden. Ich war ein guter Kunde bei Henry und Yvonne im Niederdorf – ich glaube, der Laden hiess Musicland. Und wie ich hinkam? Mit dem Tram. Wir wohnten damals an der Zweierstrasse, Schmiede Wiedikon.
An das Konzert selbst habe ich nur noch vage Erinnerungen. Die Musik war extrem energiegeladen, und Patti war schon damals eine charismatische Bühnenfigur. Das Konzert war auch deshalb ein Ereignis, weil die intellektuelle Musikszene damals stark vom Prog-Rock und generell von „komplizierter Musik“ geprägt war. Patti passte da nicht ins Raster.
Dann plötzlich: Tränengas. Unsere Augen brannten, das Publikum fluchte, rannte hinaus, rieb sich die Augen. „Was ist denn da los?“ – „Brennen euch auch die Augen?“ – „Das wird ja immer schlimmer!“ Die Halle wurde geräumt. Wir gingen nach Hause.
Die «GAS»-Kassette hatte ich auch – entweder in Zürich gekauft oder in Dublin bei einem Strassenhändler. In Zürich gab es im Steinfels-Areal einen Plattenladen mit Importen aus England und den USA. (Ich erinnere mich sogar an den Seifengeruch in der Luft dort.) Ob es genau dort die Kassette gab, weiss ich nicht mehr – aber erhältlich war sie auch bei Paranoia oder im Music Market.
Ob ich damals anderen bekannten Leuten begegnet bin? Eher nicht. Ich war ein Student aus der Provinz – aus Schaffhausen – und kannte ausser ein paar Mitstudent*innen kaum Leute in Zürich. Mit der Musikszene hatte ich damals noch wenig Berührung.